Interview mit den Smart East-Initiatoren

24. März 2021
Interview mit den Initiatoren von Smart East Dr.-Ing. Christoph Schlenzig und Manuel Lösch

Die beiden Initiatoren von Smart East, Dr.-Ing. Christoph Schlenzig, Geschäftsführer der Seven2one Informationssysteme GmbH und Dr. Manuel Lösch, Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik, geben Einblicke: Welche Motivation steckt hinter dieser Projektplanung für das smarte Stadtquartier im Karlsruher Osten im Detail?

 

 

Redaktion: Wieso handelt es sich bei Smart East um ein Leuchtturmprojekt?

Christoph Schlenzig: Mit Smart East wollen wir die Energiewende in die Stadt bringen und damit einen Beitrag zu Klimaschutz in Karlsruhe leisten. Wir wollen zeigen, dass die Vernetzung und Optimierung der Energieversorgung eines Quartiers im großen Maßstab auch in der Praxis funktioniert. Smart East wird als Leuchtturmprojekt überregional zeigen, dass Energiewende in der Stadt mit Bestandsgebäuden funktioniert. Dazu haben sich vier erfahrene Experten aus Karlsruhe zusammen getan, um gemeinsam das Gebiet an der „Karlsruher Innovationsachse Haid- und Neu-Straße“ in ein smartes energie­optimiertes Quartier zu transformieren. Unsere Aktionsfelder sind dabei: Klimaschutz, Digitalisierung, Geschäftsmodelle und Partizipation.

 

Redaktion: Welchen Mehrwert sieht das Land Baden-Württemberg in diesem Projekt?

Manuel Lösch: Das Land Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren viele Forschungsprojekte im Bereich der intelligenten Energieversorgung gefördert. In dem Projekt Smart East geht es nun darum, diese Erkenntnisse in einem Reallabor umzusetzen, um herauszufinden, ob sie sich auch in der Praxis bewähren. Smart East soll zeigen, dass die Ideen, Konzepte und Geschäftsmodelle aus der Forschung auch in der Praxis technisch umsetzbar und wirtschaftlich profitabel sind. Ziel ist es auch, Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung und Hürden der Regulierung zu erkennen und Lösungen aufzuzeigen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf neuen Geschäftsmodellen, die die fortschreitende Digitalisierung der Energieversorgung ermöglicht. Smart East soll zeigen, dass die Energiewende im Quartier für Energieversorger neue interessante Geschäftsmodelle bietet, die zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor werden können. Die Ergebnisse sollen baden-württembergischen Kommunen sowie auch über den Südwesten hinaus als Blaupause und Inspiration dienen.

 

Redaktion: Was für Mehrwerte entstehen für die TechnologieRegion Karlsruhe?

Christoph Schlenzig: Die TechnologieRegion Karlsruhe TRK hat sich in ihrer Energiestrategie das Ziel gesetzt, die Forschungsschwerpunkte Energie, Mobilität und IT zu einem neuen Wirtschaftsschwerpunkt „Energieinformatik“ zu bündeln und so zur Modellregion für Energiewende und Klimaschutz zu werden. Mit Smart East entsteht ein weiterer Leuchtturm für diese Strategie. Die TechnologieRegion Karlsruhe leistet mit Smart East einen wertvollen Beitrag zur Energiewende und damit auch zum Klimaschutz in der Region. Mit diesem Projekt macht Karlsruhe außerdem einen weiteren Schritt zur Smart City, diesmal durch die Digitalisierung der Energie-Infrastruktur im Bestandsquartier der Oststadt. Und letztendlich bekommt die TRK mit Smart East eine Vorbildfunktion für moderne, praxistaugliche Konzepte für die Energiewende in Städten.

 

Redaktion: Warum ist Smart East interessant für andere Kommunen?

Manuel Lösch: Erfolgreiche Vorbilder für smarte Quartiere gibt es bisher hauptsächlich in Neubauquartieren. Bei Smart East handelt es sich jedoch um ein Quartier, das aus teils über 100 Jahre alten Bestandsgebäuden besteht. Wir wollen zeigen, dass auch Bestandsgebäude in den Städten in smarte energieoptimierte Quartiere verwandelt werden können. Dies ist wichtig, da Neubauquartiere in Städten nur einen geringen Prozentsatz ausmachen. Während die Energiesituation in Neubauquartieren von Anfang an mitgedacht werden kann und die Stakeholder im Quartier sich schon früh in der Planungsphase aufeinander abstimmen können, ist dies im Bestand anders. Dort findet man Eigentümer, Mieter, Anlagenbetreiber und Energieversorger, die bisher nur sehr punktuell miteinander zu tun hatten. Smart East soll zeigen, wie durch die Zusammenarbeit im Quartier der Anteil erneuerbarer Energien erhöht und gleichzeitig Kosten gesenkt werden können. Durch Anreizen und Unterstützung einer entsprechenden Zusammenarbeit können Kommunen die Energiewende „von unten“ fördern. Mit Smart East wollen wir somit zeigen, wie die Energiewende auch in den Bestand der Städte gebracht und aktiver Klimaschutz in der Stadt betrieben werden kann.

 

Redaktion: Wie kriegen die Kommunen und insbesondere Karlsruhe mit, dass hier ein smartes Quartier entsteht?

Christoph Schlenzig: Der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Dr. Frank Mentrup, hat uns sehr dabei unterstützt, dass dieses Projekt zustande gekommen ist. Dadurch haben wir für Smart East Rückenwind und Aufmerksamkeit aus dem Rathaus. Außerdem sind die Stadtwerke Karlsruhe mit an Bord. Beides ist für den Erfolg des Projekts wesentlich, da solche smarten Quartiere ohne Unterstützung des lokalen Energieversorgers und der örtlichen Behörden und Planungsämter nicht realisiert werden können. Weil so ein Projekt so komplex ist, wollen wir die Lessons learned proaktiv bekannt machen. Deswegen werden wir parallel zum Projekt einen Anwenderkreis organisieren. So können interessierte Kommunen aber auch Wohnbaugesellschaften oder Forschungsinstitutionen das Projekt schon von Anfang an hautnah begleiten und erste Projektergebnisse miterleben. Gleichzeitig besteht die Chance, Wünsche zu äußern, die im Projekt berücksichtigt werden könnten.

Bei der Organisation der Anwenderkreise werden wir die Kompetenzstelle „Smarte Quartiere und Sektorkopplung“ der Smart Grids Plattform Baden-Württemberg e.V. (SGBW) eng in das Projekt mit einbeziehen. Diese neue Institution der SGBW soll im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg Informationen und Best Practices über ähnliche Projekte sammeln und dann als Informations-Drehscheibe für die Kommunen in Baden-Württemberg dienen. Interessierte Kommunen sind eingeladen, dieses Angebot zu nutzen, um Informationen zu bestehenden Projekten zu bekommen und Erfahrungen mit Experten, Kompetenzträgern und Betroffenen auszutauschen.

 

Redaktion: Wie können andere Stadtwerke von den Erkenntnissen aus Smart East profitieren?

Manuel Lösch: Neben Klimaschutz und Digitalisierung sind Geschäftsmodelle das dritte Aktionsfeld des Projekts. Wir erproben in Smart East zusammen mit den Stadtwerken Karlsruhe neue Geschäftsmodelle für Dienstleistungen im smarten Quartier. Das sind Dienstleistungen, die man benötigt, um aus einem Quartier ein smartes Quartier zu machen – Dienstleistungen, die ideal geeignet sind für Stadtwerke. Die Stadtwerke Karlsruhe sind vor Ort, sie genießen ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung, haben ein breites Handwerkernetzwerk und ihre Kernkompetenzen sind die Energieversorgung und der Netzbetrieb. Das sind die notwendigen Ingredienzien für ein smartes Quartier.

Bei Smart East werden wir gemeinsam neue Geschäftsmodelle entwerfen, im Reallabor umsetzen und in der Praxis erproben, um sie anschließend hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Diese aus der Praxis gewonnenen Erkenntnisse des Reallabors sind sehr wertvoll und können als Entscheidungsgrundlage für andere Stadtwerke dienen, entsprechende Produkte und Dienstleistungen auch in ihrem Einzugsbereich anzubieten. Beispiele für solche Geschäftsmodelle sind vielfältig. Dies beinhaltet zum Beispiel Energie-Contracting, neue Anwendungsfälle für Smart Meter wie Sub-Metering und Mieterstrom, Dienstleistungen rund um Energiegemeinschaften, sowie die Errichtung und der Betrieb von Quartiersspeichern oder Ladeinfrastruktur im Quartier. Außerdem kann man mit einem Quartiers-Energiemanagement von zeitvariablen Tarifen profitieren, sowie von einem Pooling und der netzdienlichen Vermarktung von Flexibilität in Stromverbrauch und -erzeugung. Neue energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen und die fortschreitende Digitalisierung bieten beste Voraussetzungen für die Umsetzung solcher Geschäftsmodelle.

 

Redaktion: Wie profitiere ich als Bürger*in und Energiewende-Akteur*in von Smart East?

Christoph Schlenzig: Partizipation ist das vierte Aktionsfeld von Smart East – deswegen wollen wir die beteiligten Menschen eng in das Projekt einbeziehen. Wie profitieren die Bürger? Zunächst einmal leistet Smart East einen direkten Beitrag zum Klimaschutz vor Ort. Energiewende-Aktivisten können stolz darauf sein, dass in ihrem regionalen Umfeld ein Vorzeigeprojekt wie Smart East entsteht. Wir wollen neugierig machen, so dass es erstrebenswert wird, mehr darüber zu erfahren und davon zu erzählen. Smart East soll – vereinfacht gesagt – erlebbare Werbung für die Energiewende sein. Wir überlegen bereits, ob wir neben den Anwenderkreisen auch Führungen anbieten können oder ob es andere Möglichkeiten gibt, dass Interessierte Smart East live erleben können. Die Schwierigkeit ist dabei, dass sowohl Energie als auch Digitalisierung unspektakulär und fast unsichtbar sind, da sie nicht vor Ort begehbar sind. Wir planen deswegen, über eine Projekt-Webseite und ein Dashboard mit Livedaten der interessierten Öffentlichkeit eine Zugang zum smarten Quartier Oststadt zu ermöglichen. 

Übrigens: Ein anderes, erfolgreiches Projekt aus Karlsruhe, „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ des Instituts für Technikfolgenabschätzung ITAS des KIT, das vorrangig darauf ausgelegt ist, das soziale Miteinander im Quartier Oststadt auszubauen, soll mit dem Projekt Smart East verzahnt werden. In „Quartier Zukunft“ werden die Bürgerinnen und Bürger mit in die Gestaltung ihres Quartiers involviert. Wir wollen an diesem Punkt die energetische Komponente hinzufügen. Diese Verzahnung steht derzeit in der Planung und wir freuen uns darauf, als Team von Smart East mit weiteren Engagierten aus der Quartiersentwicklung in Karlsruhe zu kooperieren.

 

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